02.02.2018

Die erste Chemo – Horst war geboren

Die erste Nacht war schrecklich. Mein Schatz Florian versprach mir dass er mich da wieder gesund rausholt. Wir schaffen das meinte er. Egal was passiert, ich hole dich da raus! Noch am gleichen Abend der Diagnose wollten die Ärzte mit der Chemo beginnen, doch ich war so fertig dass nichts mehr ging. Die Welt stand still. Ich bekam dann jede Menge Thrombozyten (Blutplättchen) um innerlich nicht zu verbluten. Die Krebszellen haben meine Thrombozyten nämlich komplett vernichtet. Am Sonntag, also am nächsten Tag wurde ich dann richtig sauer. Ich entwickelte eine Stärke. Ich weiss noch, dass ich duschen gegangen bin und Metallica gehört habe. So laut dass es 3 Zimmer weiter auch noch gehört haben. Ich wurde sauer, sah mich im Spiegel an und dachte mir nur „OK, scheiss drauf, dir werde ich es zeigen“. Ich hatte dann so einen richtigen schirchen schwarzen Wuzl im Kopf mit Zähnen und dachte mir „ich zerreisse dich, ich kette dich hier an, ich mach dich sowas von fertig, reiss dir jedes Haar und jeden Zahn aus“. HORST war geboren. HORST IST EINFACH NUR LÄCHERLICH!!! Die Kampfansagen waren da!!! ICH SCHAFFE DAS!!Mit mir nicht!

Diagnose: Leukämie

Meine ganze Familie ist am Sonntag gekommen. So habe ich sie noch nie gesehen. Sogar mein Bruder Thomas und mein Papa weinten. Wir mussten jetzt stark sein. Sehr stark. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir Gott sei dank noch nicht welches Ausmaß die Diagnose mit sich bringt.

Am Montag, sprich den 3. Tag wurde ich dann in das Isolierzimmer verlegt und die erste Chemo wurde angehängt. Ich bekam die sogenannte Daunorubicin/Alexan 3+7 Chemotherapie. Sie lief 7 Tage lang 24 Stunden durchgehend in meinen Körper hinein. In den Bauch stachen sie mir ein Staberl was meine Eierstöcke lahm legte. Auf die Frage ob ich jemals Kinder bekommen kann, bekam ich noch keine Antwort. Ich war nun im künstlichen Wechsel versetz. Von heute auf Morgen. Einmal am Tag wurde ich abgehängt zum Duschen. Diese 15 Minuten genoss ich und hörte laut Musik unter der Dusche. Es war alles wie ein Horrorfilm wo ich hoffte dass er bald abgedreht wird. Die Psyche nimmt das alles nicht mehr auf.  Die Ärzte meinten entweder sterbe ich am Krebs oder an dieser Chemo weil meine Organe versagen werden. Aber nicht mit mir. Meine Organe hielten stand. I holt scha wos aus. Mit jedem Tropfen Chemo stellte ich mir vor dass Horst ein Haar verliert. Zunächst lief alles gut. Ich konnte essen. Aber die 2 Wochen nach so einer Chemo wünsche ich meinen ärgsten Feinden nicht. Bei Leukämie wird das komplette Blutbild und das Knochenmark mit den Chemos zerstört. Und da im Blutbild die Leukozyten sind, welche für die Immunabwehr zuständig sind, hat mein KEIN Immunsystem mehr. Jeder noch so kleiner Husten, Schnupfen, Körperkontakt ist lebensbedrohlich. Eigene Keime auf der Haut werden gefährlich. Die Wäsche mussten wir mit 90 Grad waschen damit bloß kein Keim reinkommt ins Zimmer. Alles, aber auch alles musste durch die Schleuse von den Schwestern desinfiziert werden. Ich war sehr müde, schlief viel. Hatte kaum Kraft. Jetzt ging es nur noch darum die Nebenwirkungen der Chemo zu behandeln. Organversagen, offene Mundschleimhaut, Durchfall da diese Schleimhaut natürlich auch angegriffen wurde. Das kann sich eigentlich niemand vorstellen was sich da abspielt wenn man es selbst nicht erlebt hat.

Die Isolierung

Die Isolierung war das sehr schlimm für mich. Vor allem gegenüber Florian. Kein Kuss, kein Händchen halten, keine Umarmung, einfach nichts. Den Boden durfte ich nicht berühren wegen den Keimen. Man ist eingesperrt wie in einem Gefängnis. Während der Chemo bekam ich Fieber, das war sehr anstrengend. Der Körper kann sich im diesen Zustand gegen nichts wehren. Ich wurde Tag und Nacht vollgepumpt mit Chemo, Blut, Antibiotikum.

Das warten war das schlimmste. Das warten auf die Befunde der Knochenmarkpunktion. Hier wird einem Knochenmark vom Beckenkamm herausgebohrt und zytologisch und molekulartechnisch zerlegt. Wir wussten noch nicht genau welche genaue Form der Leukämie ist. Es gibt so viele Unterkategorien.

Ich weinte in den ersten 2 Wochen sehr viel. Machte mir Sorgen wie es wird wenn ich die Haare verliere. Wie halten Florian und ich das aus?  Wir wollten uns ein Eigenheim schaffen, heiraten, Kinder kriegen. Und jetzt ist uns alles genommen worden. Wie hält das unsere Beziehung aus? Wie reagiert er auf die Glatze? So lange getrennt zu sein und ich ohne Haare? Ich hatte große Angst. Meine Familie gab mir soviel Rückhalt und Zuspruch. Das ist das aller wichtigste. Mama und Papa waren jeden Tag bei mir. Den Rest der Familie durfte ich aufgrund des fehlenden Immunsystems nicht sehen, damit nicht soviele Keime ins Zimmer kommen. Dennoch der Kampfgeist war geboren. Der Kampf gegen meinen Horstl. Ich fand das i.wie lustig. Denn wenn ich eines wollte, dann mein Lachen nie zu verlieren. Ich stellte mir vor mit jedem Tropfen Chemo ist ein Haar weniger vom Horst. Solange bis der letzte Zahn ausgerissen ist. ICH BIN STÄRKER ALS DU. Zeitgleich registrierte man einfach nicht was da gerade passiert. Von heute auf morgen so aus dem Leben gerissen zu werden ist schon heftig. Die Psyche kann das gar nicht verarbeiten.

Nach der ersten Chemo

Nach der ersten Chemo. Juuhuuu meine Organe haben alle stand gehalten 🙂 Mir war schlecht, konnte nichts essen. Mich kaum bewegen. Diese körperliche Schwäche wünsche ich meinen ärgsten Feinden nicht. Dazu die Isolierung. Es war schon sehr heftig. Aber meine Familie machte mir immer wieder Mut. Sie haben kein einziges Mal vor mir geweint. Es war immer jemand da der mich beim Essen unterstützte. Gott sei dank gibt es Tablets und Handys. So haben wir ständig Videotelefoniert. Eigentlich waren wir alle guter Dinge, wir wussten noch nicht genau mit welcher genauen Leukämieform es wir zu tun hatten. Die genaue Unterkategorie von der Akuten Meyloischen Leukämie fehlte noch. Gott sei Dank wussten wir da noch nichts was noch auf uns zukommt….