23.02.2018

das Leben nach der Stammzellentransplantation

Am 15. August 2017 war es dann soweit. Ich durfte nach 3 Monaten Isolierstation nachhause. Doch die Freude hielt sich in Grenzen. Denn man kommt nach so langer Zeit nachhause und ist nicht gesund. Wir haben eine ganze Mappe vom LKH Graz erhalten was wir an Hygienemaßnahmen beachten müssen. Ein Wahnsinn, wir fragten uns wie wir das alles einhalten können. Das ist nötig, weil ich immunsupprimierende Medikamente nehme die mein Immunsystem komplett unterdrücken, damit ich keine Abstoßungsreaktion habe. Ihr müsst euch das so vorstellen, dass ich nun wie ein Baby bin. Mein Immunsystem baut sich erst über die nächsten Jahre auf. Ein Baby hat mehr Immunsystem wie ich. Ich muss nun alles neu lernen. Wie gesagt mein Leben wird nun in Tagen gerechnet.

Am Anfang konnte ich kaum was essen. Ständig Durchfall und Magenbeschwerden. Immer mit der Angst dass man eine Abstoßung hat. Zuhause war man auf sich alleine gestellt. Das war sehr schwierig für uns. Es war für mich sehr schwierig das alles anzunehmen. Dass ich auf Pflege angewiesen bin und zu den Behinderten gehöre ist schon schwer anzunehmen. Ich konnte nichts tun, ich bin körperlich zu schwach um einen Haushalt zu führen. Und aufgrund der Infektanfälligkeit durfte ich nichts machen im Haushalt. Mittlerweile habe ich meine Situation angenommen, weil mir nichts anderes übrig bleibt. Aber es gibt schon Tage wo ich nur weinen könnte. Warum ich? Der Körper schränkt mich bei den alltäglichsten Tätigkeiten ein. Das ist schon schwer zu akzeptieren. Schlimm ist, dass ich kein Kurzzeitgedächtnis mehr hatte. Ich konnte nicht lesen, mich nicht konzentrieren, merkte mir nichts. Ich war auf Mama angewiesen. Das bin ich auch heute noch. Das nennt sich Chemobrain. Die Chemo hinterlässt halt auch im Kopf seine Spuren. Ich war früher eine zackige und jetzt das. Ich kann in meinem Leben nichts mehr planen und muss Tag für Tag hineinleben.

die ersten 100 Tage

Mein Leben wird nun in Tagen gerechnet. Die ersten hundert Tage verliefen relativ gut. Ich war sehr schwach, konnte kaum laufen. Maximal 50m gehen. Stiegen gehen oder bergauf gehen war nicht möglich. Ich war nun auf die Pflege meiner Familie angewiesen. Das war schon sehr ungewohnt für mich. Das alles anzunehmen. Aber ich musste es annehmen. Aufgrund der Hygienevorschriften sind Flo und ich zu meinen Eltern nachhause gezogen. Hier wohnen nur meine Eltern und meine Mama übernahm die Pflege für mich. Besuch durfte ich kaum empfangen wegen den Keimen. Wir mussten alles desinfizieren, überall Desinfektionsmittel aufstellen. Mit Handschuhen musste ich auf die Toilette gehen und vorher immer alles desinfizieren. Einmal die Woche fuhr ich mit Mama einkaufen mit. Wir fahren immer zu Zeiten wo nicht viel los ist. Ich trage immer Handschuhe und halte mich fern von der Keimschleuder „Einkaufswagen“. Das Essen muss keimfrei sein und innerhalb von 24 Stunden verbraucht sein. Generell herrscht Mundmaskenpflicht. Keine Restaurantbesuche, kein Kino, keine Menschenansammlungen. Nicht in den Wald gehen wegen den Pollen. Keine Pflanzen. Das Geschirr muss mit 70 Grad gewaschen sein, kein Geld anfassen, keine Haustiere, keine Pflanzen, kein Sex, kein Küssen, Wald und Wiese meiden, nicht Autofahren, keine Reisen. Sämtliche Lebensmittel die wir kauften mussten wir mit Tüchern desinifzieren. Mein Leben dreht sich nur noch um Keime, Viren und Krankenhaus. Ein normales Leben gibt es bis heute nicht. Dennoch genieße ich jeden Augenblick, jeden Moment, jeden Tag meines Lebens. Es ist wunderbar wieder Luft atmen zu dürfen und die Natur genießen zu dürfen. Für mich sind die kleinsten Dinge im Leben schon was besonderes. Wenn man solange eingesperrt ist, ist die Wahrnehmung eine völlig andere. Das essen muss keimfrei sein. Kein Obst, kein Gemüse, kein Leitungswasser, nur pasteurisierte Milchprodukte/Säfte, kein Müsli, keine Gewürze etc… Man kann sich das eigentlich nicht vorstellen, wenn man es selbst nicht erlebt hat.  Ich nehme lebenswichtige Medikamente. Das sogenannte Sandimmun ist lebensnotwendig damit ich keine Abstoßung habe. Ich nehmen ca. 30 Tabletten am Tag und fahre seit August wöchentlich zur Therapieeinstellung nach Graz. Also wer glaubt dass man mit dem neuen Blut gesund ist, der irrt sich!!! Es ist ein unglaublich langer und kräftezehrender Weg so eine Stammzellentransplantation. Ich fühle mich manchmal als Last. Meine Mama hat soviel zu tun wegen mir. Ich weiß sie macht das gerne, aber trotzdem. Sie muss soviel putzen und desinfizieren wegen mir. Das schlimme ist, dass ich nicht weiß ob mein Körper jemals ohne Medikamente funktioniert. Kein Arzt kann uns sagen, wielange ich mit der Stammzellenspende leben werde. Diese Ungewissheit ist schrecklich. Es kann gut gehen, ich kann aber auch an einer Abstoßungsreaktion sterben. Man kann einfach nichts mehr planen. Man kann einfach nur daran glauben, dass mein Körper die Spende i.wann gut annimt und ich i.wann ein normales Leben führen kann. Nur wann???????? Auf das gibt es keine Antwort, leider.

besondere Begegnungen

Die wöchentlichen Krankenhausbesuche sind komisch. Man kennt sich untereinander schon. Wir transplantierten haben einen eigenen Aufenthaltsraum wo wir gemeinsam warten. Man kennt sich schon untereinander und es herrscht immer ein gewisser Galgenhumor. Ich durfte einen ganz besonderen Menschen kennenlernen. Meine liebe Kathi. Eine richtige Powerfrau. Ihr Freund hat ebenfalls AML und sie begleitet ihn bei jeden Arztbesuch. Eines Tages kamen wir ins Gespräch und wir waren uns sofort sympathisch. Als ob wir uns schon ewig kennen würden. Liebe Kathi du bist für mich eine richtige Powerfrau. Dein lieber „Hase“ ist viel zu früh und viel zu schnell von uns gegangen. Er ist nun mein Schutzengel und wacht über mich. Ich freue mich dich weiter kennenzulernen. Du bist mir richtig ans Herz gewachsen und ich glaube das wir uns getroffen haben, hat auch so sein wollen. Du bist etwas ganz besonderes für mich. Ein richtige Freundin obwohl ich noch so wenig weiß von dir.